Liebe Carlotta,
in einer meiner Ausbildungen hat einer meiner Ausbilder folgendes Bild von Beziehung gezeichnet: in jeder Beziehung gibt es drei Phasen, die immer wieder durchlaufen werden, mal kürzer, mal länger.
Die erste Phase ist die mit den Schmetterlingsflügeln, der rosaroten Brille, der Verliebheit. Alles ist schön, man kommt sich näher, verschmilzt miteinander.
Die zweite Phase ist die, in der man sich gegenseitig zumutet. In der man die unschönen Seiten zeigt, in der man versucht, den Partner wegzuschicken, in dem man ihm/ihr die negativen Dinge zeigt. Es ist ein Vertrauenstest und dieser Test stellt die Frage “liebst du mich WIRKLICH? WIRKLICH WIRKLICH?”. Dazu zählen auch Tests wie “bleibst du bei mir, wenn ich andere Personen interessant finde?”. An dieser Phase (oder sollte ich Klippe sagen?) scheitern die meisten Beziehungen, wobei diese zweite Phase nicht der einzige Grund für ein Beziehungsende darstellen muss. Es gibt natürlich auch andere Gründe.
Überwindet man diese Phase, dann kommt man in die Phase der tiefen Liebe. Man hat alles versucht, den Partner wegzuschicken, und er/sie ist geblieben. Also muss er/sie mich wirklich lieben.
Und irgendwann entsteht dann wieder eine Phase der Verliebheit… und soweit ich es bei langjährigen Paaren und in meinen Beziehungen beobachten konnte, stimmt dieses Bild.
Wenn ich mir Deine Schilderungen durchlese, so kommen mir diese Phasen in den Kopf. Vielleicht wird er sich der möglichen Tiefe eurer Beziehung bewusst und stellt nun die Frage: liebst du mich wirklich? Darf ich ein Mann sein (oder bleiben), der trotz aller Liebe zu Dir auch andere Frauen anziehend findet? Er stellt sich auch selbst die Frage: was für ein Mann bin ich, was für ein Mann darf ich sein? Kann ich mit der Liebe meines Lebens zusammen sein UND mich trotzdem andere Frauen anziehen finden? Ist das moralisch vertretbar oder bin ich vielleicht dieser Liebe nicht würdig?
Was nicht bedeutet, dass er fremdgehen will…
Generell ist das Thema “darf man andere Frauen/Männern anziehend finden” in jeder Beziehung ein potentielles Minenfeld, und es wird umso sensibler, je tiefer die Liebe zum/r gegenwärtigen PartnerIn ist.
Wie Dr. Peirano geschrieben hat: es ist Zeit für Achtsamkeit, für Vertrauensbildung und Nähe – und Gespräche.